Tuesday, September 29, 2009

Kopfschmerzen auch wenn man keine hat

Heute erscheint im neuem Oktoberheft der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft der Artikel Migräne - leider keine Einbildung von den Kollegen David W. Dodick und J. Jay Gargus. Der Titel mutet seltsam an. Wieso haftet der Migräne dieses Image an?

Ich finde den deutschen Titel nicht gut. Im Original hieß es "Why migraine strikes". Und darum geht es auch in diesem Artikel. Dass Migräne keine Einbildung ist, sollte eigentlich klar sein. Wenn man überhaupt im deutschen Titel einen anderen Fokus setzen will, hätte man eher noch an dieser exponierten Stelle darauf hinweisen können, dass Migräne die teuerste neurologische Krankheit ist. Denn allein die Behandlung kostet in Deutschland jährlich 500 Millionen Euro und die Folgekosten liegen nochmal mehr als eine Größenordnung höher.

Nichtsdestotrotz ist der Artikel sehr lesenswert und gut illustriert. Wie ich es von Spektrum der Wissenschaft nicht anders kenne.



Einbildung? Das erinnert mich an Erich Kästner's Kinderbuch Pünktchen und Anton. „Nach dem Mittagessen kriegte Frau Direktor Pogge ihre Migräne. Migräne sind Kopfschmerzen, auch wenn man gar keine hat.“ So beschrieb Kästner 1931 in "Pünktchen und Anton" die Volkskrankheit, unter der nach heutigen Schätzungen ungefähr ein Fünftel der Bevölkerung leidet.

Migräne ohne Kopfschmerzen, so widersprüchlich das zunächst klingen mag, kann nach der Klassifikation der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (IHS) sogar tatsächlich als eine gesonderte Variante dieser Krankheit diagnostiziert werden. Kästner ging es allerdings weniger um diagnostische Spitzfindigkeiten als um die Charakterisierung von Pünktchens Mutter als feine Dame, die sich um das Wohl von Kindern aus aller Welt sorgt, dabei aber ihre eigene Tochter vergisst. Migräne wurde damals – und heute leider zum Teil immer noch – abgetan als Hysterie oder Hypochondrie. Dieses Vorurteil klingt nun auch wieder im Titel des oben erwähnten Beitrag an und natürlich wird dem dort auch fundiert widersprochen. Aber wieso haftet der Migräne dieses Image an?

Ein Grund für die vielen falschen Vorstellungen von der Migräne ist, dass diese Volkskrankheit wissenschaftlich bisher nur schwer zugänglich war. Wie misst man Kopfschmerzen? Die Skepsis, Migräne als eine Krankheit anzusehen, beruht insbesondere aber auf der Vielzahl unterschiedlichster Symptome, die zusätzlich zu dem Kopfschmerz auftreten können. Die IHS nennt ein kompliziertes Geflecht von Symptomen. Gut bekannt sind die Hauptsymptome einer Migräne: Kopf- und Gesichtsschmerzen und ebenso die zusätzlich häufig auftretenden vegetative Begleiterscheinungen wie Übelkeit und Schwindel.

Eine weitere Form der Migräne, die Migräne mit Aura, ist schon weniger bekannt, dafür aber umso vielfältiger. Diese Form diagnostiziert man anhand von begleitenden neurologischen Reiz- und Ausfallerscheinungen, also zum Beispiel eine Störung der Sinneswahrnehmung. Die Ursache dieser neurologischen Symptome ist im Gegensatz zum Kopfschmerz mit modernen bildgebenden Verfahren messbar. Dies gelang zum Beispiel Nouchine Hadjikhani mit Hilfe der funktionellen Kernspintomographie. Diese neuen klinischen Erkenntnisse sind gut im dem nun vorliegenden Spektrum der Wissenschaft Heft beschrieben. Damit, also mit dem Einsatz bildgebender Verfahren, ist ein wesentlicher Schritt in in Richtung der Aufklärung der Krankheit Migräne getan.

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